Translating Knowledge, Practicing Rurality: Ländliche Jugend in der Volksrepublik Polen und darüber hinaus
Dietlind Hüchtker
Historische Forschungen zu Jugend im 20. Jahrhundert sind en vogue, nicht nur weil sie mit Themen wie Protest, Sexualität, Popkultur, Mediennutzung etc. verbunden, sondern auch, weil Jugend und Zukunft gleichgesetzt werden. Jugend wird als Avant-garde, als Vorläuferin für gesellschaftliche Veränderungen untersucht. Ebenso selbstverständlich wird der urbane Raum, vor allem die Metropole mit Wandel identifiziert und der größte Teil der Jugendforschung konzentriert sich entsprechend auf urbane Räume. Den Kontext, in den jugendliche Praktiken, Vorstellungen und Erwartungen gestellt werden, bilden daher Themen wie Wertewandel, Konsumkultur, Subjektivierung, neue Politikformen, die als charakteristisch für die kapitalistische Erschließung globaler Märkte, Partizipation in demokratischen Gesellschaften und postindustrielle Dienstleistungsgesellschaften gelten. Die Forschungen zu Jugend in sozialistischen Gesellschaften konzentrieren sich ebenso mehrheitlich auf urbane Räume und nehmen ebenso Protest- und Verweigerungspraktiken, Lebensstile und die Rolle von Konsumorientierung in den Blick. Wie sich diese Praktiken, Erwartungen und Vorstellungen in sozialistischen Gesellschaften erklären, bleibt offen. Eine Studie zu ländlicher Jugend im sozialistischen Polen steht damit gewissermaßen quer zu den dominierenden Tendenzen der Forschung.
Das Projekt untersucht die Bedeutungen von Ländlichkeit und Jugend, indem es Wissen und Wissenskulturen in den Blick nimmt. Gefragt wird nach Übertragungen, Übersetzungen und medialer Vermittlungen zwischen empirischen Jugendforschungen, kulturellen Repräsentationen von Jugendlichen und ihren alltagskulturellen Praktiken. Dabei werden die Themen exemplarisch analysiert, die die zeitgeschichtlichen Forschungen zu Jugend dominieren: Popkultur, Sexualität und Protest, um ihre Bedeutungen für das Verständnis von Jugend und Ländlichkeit im Kalten Krieg herauszuarbeiten. Die These ist, dass sich durch den Fokus auf ländliche Jugend zeigen lässt, wie Gesellschaft im Kalten Krieg durch den und mit dem Eisernen Vorhang gemacht wurde, wie die wissenschaftliche und populärkulturelle Durchdringung ländlicher Räume die Grenzen zwischen Urbanität und Ländlichkeit verwischte und neu konstituierte.